Honorargestaltung from Hell

Hand aufs Herz, bist du auch schon mal ins Schleudern gekommen, als du bei einem neuen Mandanten irgendwo in der Buchführung die Rechnung vom Vorberater gefunden hast und festgestellt hast: Wow, der hat viel weniger abgerechnet, als du für das Mandat veranschlagt hattest?

Immer und immer wieder höre ich das von Steuerberatern in meiner Community, auch teilweise von meinen Kunden. Sie haben bei Neumandanten auf einmal Probleme damit, ihre eigenen Rechnungen richtig einzuschätzen und tatsächlich wie geplant zu erstellen, sobald sie feststellen, dass der Vorberater viel weniger abgerechnet hat.

Die Macht der Erwartungshaltung

Warum ist das so? Warum bringt uns das durcheinander?

Ganz einfach: weil wir plötzlich mit einer möglichen Erwartungshaltung unseres neuen Mandanten konfrontiert sind. Und das ausgerechnet bei einem neuen Mandanten, mit dem eigentlich alles angenehm, fröhlich und gut beginnen sollte. Zumindest vermuten wir, dass wir mit einer Honorarerwartung konfrontiert werden, die nicht so recht zu dem passt, was wir uns eigentlich von diesem neuen Mandat erwarten würden.

Genau das möchte ich heute in diesem Beitrag gerne klären und dir ein paar Gedanken an die Hand geben, wie du damit umgehen kannst, falls dir das mal wieder passiert – denn es passiert uns allen.

Dein Mandant ist nicht mehr beim Vorberater

Also erstens: Dein neuer Mandant hat sich von seinem Vorberater getrennt, sonst wäre er nicht bei dir. Wenn alles beim Vorberater so rosig gewesen wäre, warum ist er dann zu dir gewechselt?

Die Leistung hat nicht gepasst

Häufig suchen Mandanten einen neuen Steuerberater, weil sie mit der erbrachten Leistung nicht zufrieden waren. Und wenn die bisherige Leistung für deinen neuen Mandanten nicht zufriedenstellend war, ist es sehr wahrscheinlich, dass dein Mandant – sofern er nicht erst gestern geboren wurde – versteht, dass die bessere Leistung, die er jetzt erwartet, höchstwahrscheinlich auch mehr kosten wird.

Das bedeutet, er wird vermutlich erwarten, dass deine Rechnung höher ausfällt als die, die er von seinem vorherigen Berater gewöhnt war, bei dem er das Gefühl hatte, die Leistung sei seinen Erwartungen nicht gerecht geworden.

Der Vorberater war bereits zu teuer

Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit, dass der Mandant den Preis seines vorherigen Beraters bereits als zu hoch empfand. Der vorherige Berater war ihm schlichtweg zu teuer.

In diesem Fall, um ehrlich zu sein, brauchst du über die Angemessenheit deiner Rechnung gar nicht weiter nachzudenken, denn du möchtest mit Sicherheit nicht weniger abrechnen als der vorherige Berater, nur um ein Lächeln auf das Gesicht des Mandanten zu zaubern. Zudem wirst du dann wahrscheinlich auch nicht die Leistung erbringen können, die du dir für deinen neuen Mandanten vorstellst.

In diesem Fall spielt dein Preis also ohnehin keine große Rolle. Du kannst diesen Gedanken in deinem Kopf ruhen lassen.

Weder Preis noch Leistung waren das Problem

Sollte es ganz andere Gründe gegeben haben, warum der Mandant sich von seinem vorherigen Berater getrennt hat – also weder eine Unzufriedenheit mit der Leistung noch ein zu hoher Preis – dann war das Honorar nicht das entscheidende Kriterium. Daher wird das Honorar wahrscheinlich auch bei dir nicht das entscheidende Kriterium sein. Auch in diesem Fall kannst du deine Sorgen also ablegen.

Diese Gedanken helfen dir hoffentlich, dich von der kurzfristigen Unruhe hinsichtlich der Erwartungen deines neuen Mandanten zu lösen.

Honorargestaltung from Hell

Doch das ist noch nicht alles. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht noch ein paar weitere Gedanken mit dir teilen würde, die deinen Weg zur Wunschkanzlei betreffen. Denn dieser Punkt ist genau, was ich mit der Überschrift „Honorargestaltung from hell“ meine.

Folgendes sehe ich nämlich sehr häufig und ich muss ehrlich sagen, mir ging es ganz ähnlich, als ich meine Preise bei der Gründung meiner Kanzlei gestaltet habe:

Was machen die Kollegen?

Was ich mittlerweile gelernt habe und was ich nicht müde werde, bei meinen Kunden und in meiner Steuerberater-Community zu wiederholen, ist Folgendes:

Für deine Kanzlei und deine Kalkulation spielt es absolut keine Rolle, was ein anderer Kollege abrechnet!

Denn von vielen entscheidenden Faktoren, die die Preisgestaltung des Kollegen beeinflussen, haben wir keinerlei Kenntnis.

Wir wissen nicht, in welchem Umfang die Infrastruktur des vorherigen Beraters überhaupt existiert. Wir haben keine Vorstellung davon, wie seine Kanzlei aufgebaut ist, ob er Mitarbeiter beschäftigt, und wenn ja, welche Qualifikation diese Mitarbeiter haben.

Überdies haben wir keinerlei Einblick, wie sein Preis überhaupt zustande gekommen ist. Wir kennen die Details seiner Kalkulation nicht. Wir wissen nicht, ob der Kollege überhaupt jemals eine vollständige Kalkulation durchgeführt hat. Wir haben keine Ahnung, welche Grundlagen er verwendet hat oder … ob er vielleicht einfach nur links und rechts geschaut hat, was andere Kollegen so machen.

Und am wenigsten wissen wir, ob der Kollege mit dieser Abrechnung überhaupt jemals einen positiven Deckungsbeitrag aus dem Mandat erzielt hat!

Seien wir mal ehrlich: Wenn du keinen positiven Deckungsbeitrag erzielst, warum solltest du dann das Mandat übernehmen? Ich bin ziemlich sicher, dass dir viele andere sinnvolle Verwendungsmöglichkeiten für deine Zeit einfallen würden, anstatt noch Geld aus eigener Tasche für ein neues Mandat mitzubringen. So karitativ sind wir dann doch nicht.

Also, von daher, es ist deine Kanzlei, also ist es auch deine Kalkulation.
Du richtest dich also bitte nach deinen Rahmenbedingungen, deiner Infrastruktur, deinen Mitarbeitern und deinen Qualitätsanforderungen, wenn du deine Preise kalkulierst!

Du ermittelst den Preis, den du dafür berechnen möchtest, wenn du oder jemand anders in deiner Kanzlei seine Lebenszeit investiert, um für einen Mandanten ein Problem zu lösen. Und das, was es bei dir dann kostet, das kostet es eben.

Deine Kalkulation darf so gestaltet sein, dass sowohl dir als auch dem Mandanten die Zusammenarbeit Freude bereitet. Genau darauf kommt es an, und das ist die Vision deiner Wunschkanzlei.

Auch wenn wir uns natürlich nicht völlig vor den Fragen verschließen können, die uns in den Sinn kommen, wenn wir die Rechnung eines Kollegen sehen: Wie hat er das gemacht? Ist es angemessen? Bin ich vielleicht zu teuer? Bin ich vielleicht zu günstig?

Natürlich vergleichen wir uns in solchen Momenten, das ist völlig natürlich. Doch es ist entscheidend, dass wir immer wieder zu der Erkenntnis zurückkehren, dass wir uns diese Fragen zwar aus Neugier stellen können, sie jedoch in der praktischen Umsetzung für dein Honorar absolut keine Bedeutung haben.

Warum bewegt dich das jetzt?

Der dritte Punkt, den ich heute noch ansprechen möchte, ist ein kleines bisschen gemein und ich werde vielleicht jetzt kurz den Finger in die Wunde legen. Also bitte verzeihe mir, ich meine es mit Liebe.

Falls dir so eine Situation passiert und du findest eine solche, in deinen Augen viel zu günstige, Vorberater-Rechnung und du denkst, der Mandant wird sich erschrecken, wenn du ihm deine Rechnung stellst, weil sie wahrscheinlich viel höher ist als das, was du gerade in der Buchführung gefunden hast … dann möchte ich dich an dieser Stelle fragen:

Warum machst du dir darüber überhaupt Gedanken?

Warum hat das Gespräch mit dem Mandanten über dein Honorar nicht schon längst stattgefunden, nämlich bei der Mandatsannahme?

Ich habe hier kürzlich in einem anderen Blogartikel über die Frage gesprochen: Steuerberatervergütungsverordnung oder Honorarvereinbarung. Sieh dir dieses Thema gerne nochmals an.

Hast du eine Honorarvereinbarung?

Wenn du nach Honorarvereinbarung mit deinem neuen Mandanten abrechnest, hast du diese Honorarvereinbarung ohnehin bereits mit deinem Mandanten besprochen. Daher ist es völlig unnötig, sich jetzt Gedanken darüber zu machen, was der Mandant möglicherweise zu diesem Zeitpunkt gedacht hat. Er wusste damals ja bereits, was er deinem vorherigen Berater bezahlt hat, und er kennt nun deine Honorarforderung. Du kannst dich also entspannen, denn er hat deiner Forderung bereits zugestimmt.

Rechnest du nach StBVV ab?

Selbst wenn du mit deinem Mandanten gemäß der Steuerberatervergütungsverordnung abrechnest, dürfte – gerne sollte – das Gespräch über das zu erwartende Honorar ebenfalls schon vor oder zumindest bei der Mandatsannahme stattgefunden haben.

Natürlich ist zu diesem Zeitpunkt die Steuerberatervergütungsverordnung ein wenig wie ein Überraschungsei. Du weißt zu diesem Zeitpunkt noch nicht hundertprozentig, was am Ende dabei für Gegenstandswerte herauskommen- Es sei denn …

… du verfügst über einen gut strukturierten Mandats-Aufnahmeprozess bei dem du dich bereits im Vorfeld über die potenziellen Gegenstandswerte und die erforderlichen Qualifikationen zur Erfüllung des Auftrags informierst. Damit kannst du die Honorarsätze in etwa einschätzen und auf dieser Grundlage bereits einen Kostenvoranschlag oder ein Angebot erstellen.

Falls du das noch nicht so handhabst, möchtest du vielleicht darüber nachdenken, ob du diesen Prozess in deine Mandatsannahme integrierst. Denn dadurch könntest du dir (und deinem Mandanten) genau diese Gedanken und Unsicherheiten ersparen, wenn es darum geht, das Honorar festzulegen.

Die provisiorische Lösung

Bis dahin kannst du natürlich immer gleich bei Mandatsannahme kommunizieren, dass dein Honorar voraussichtlich nicht günstiger sein wird als das, was der Mandant bisher beim Vorberater bezahlt hat.

Was gewinnen du und dein Mandant dadurch?

In den allermeisten Fällen wird dein Honorar nicht günstiger sein, und selbst wenn es ausnahmsweise der Fall sein sollte, wird der Mandant es dir sicherlich nicht übelnehmen, wenn du günstiger bist als der Vorberater.

Daher ist dies eine Information, die du bereits bei der Mandatsannahme sehr gut vermitteln kannst, um bereits zu Beginn aktives Erwartungsmanagement zu betreiben. Du könntest dem Mandanten zum Beispiel mitteilen: „Bitte berücksichtige bei der Honorarfrage, dass es höchstwahrscheinlich teurer wird. Schon allein deshalb, weil dein Mandat für meine Kanzlei neu ist. Das bedeutet, es wird eine Einarbeitungsphase geben. Wir setzen nicht auf einem bereits etablierten Zustand auf, sondern starten von Grund auf neu. Lieber Mandant, bitte denke daran, dass dies mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.“

Dann kann dein neuer Mandant im Voraus entscheiden: Möchte er einem höheren Honorar zustimmen oder nicht? Und aus eigener Erfahrung kann ich dir versichern: wenn dein Mandant bereits zugestimmt hat, darfst du diese Sorgen in deinem Kopf beiseitelegen. Dein Mandant ist erwachsen. Er weiß, wozu er zugestimmt hat, und er ist sich auch bewusst, dass er zugestimmt hat. Er wird später nicht mit dir darüber streiten. Zumindest nicht, wenn er einigermaßen vernünftig ist.

Dein Honorar ist DEIN Honorar

Das Fazit lautet also: Egal zu welchem Zeitpunkt du in die Situation kommst, über Veränderungen im Honorarbereich nachzudenken: Nach links oder rechts zu schauen oder dich am Vorberater zu orientieren und zu versuchen, dich anzupassen, ist niemals, niemals, niemals eine solide Grundlage für deine eigene Kalkulation.

Falls du Interesse hast, deine Kalkulation einmal näher anzusehen oder einen frischen Blick auf deine Kalkulation zu werfen, um zu prüfen, ob du tatsächlich alle wichtigen Aspekte berücksichtigt hast, ob deine Preise wirklich angemessen und zukunftsfähig kalkuliert sind. Oder ob möglicherweise Punkte übersehen wurden, weil du dich – wie die meisten von uns – erst einmal daran orientiert hast, was deine Kollegen tun, dann lass uns doch einfach gemeinsam darauf schauen.

Du kannst dich gerne bei mir melden oder an der nächsten Masterclass teilnehmen, in denen ich auch über diese Themen spreche und Tipps dazu gebe.

Gemeinsam können wir betrachten, wie du dich von der unangenehmen Honorarsituation oder dem unguten Gefühl befreien kannst, wenn du die Rechnung eines Vorberaters in der Buchführung findest, so dass du einen leichteren Umgang mit deiner eigenen Honorargestaltung finden kannst.

Ich würde mich freuen, wenn du mir dazu einen Kommentar hinterlässt, dich bei mir meldest und ich ein bisschen mehr darüber erfahren kann, wie du darüber denkst.

Bis dahin wünsche ich dir alles Liebe und eine wunderschöne Woche. Servus,

Deine Benita

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Über die Autorin

Benita Königbauer

Ich bin Benita, Business Mentorin, Profit First Professionals-Ausbilderin, zertifizierte Fix-This-Next-Beraterin, Wirtschaftsmediatorin und Steuerberaterin aus München und ich finde: das Unternehmerleben darf auch leicht sein! Falls Du Dich also schon mal gefragt hast, warum manche Unternehmer offenbar einfach mühelos erfolgreich sind und andere scheinbar immer 'von-der-Hand-in-den-Mund" leben, weißt Du schon, wo ich mich am liebsten tummele 🙂

Außerdem bin ich Übersetzerin für "Bürokratisch - Deutsch", "Umständlich - Deutsch" und "Peinlich - Deutsch" im Bereich Finanzen und Erfolg. Ich schreibe und spreche also über Themen, um die wir gerne einen Bogen machen und deshalb dann eben oft auf der Stelle treten.

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